von K.Diehl-Knieriemen / M.Metzler
Wie werden Kinder und Jugendliche zu mündigen Bürgern? Kann man Demokratie lernen? Und wie verhindert man Politikverdrossenheit junger Menschen? Im Zeichen dieser Fragen fand an der IGS Gerhard Ertl erstmalig ein Demokratietag für die Schüler:innen aller Jahrgangsstufen statt. In verschiedenen Projekten und zu unterschiedlichen Themen ging es am 2.11.2022 vor allem darum, Demokratie zu erleben, mitzumachen und zu diskutieren.
Denn dass es die Demokratie als Staats- und Regierungsform auf der ganzen Welt immer schwerer hat, wird nicht erst seit dem Vormarsch autokratischer Systeme wie in Russland oder China deutlich. Auch innerhalb Deutschlands sehen sich der Staat und seine Institutionen, aber auch die gesamte Gesellschaft zersetzenden und zerstörerischen Kräften gegenüber. Fake News, Reichsbürger und andere Feinde der Demokratie bedrohen den Zusammenhalt und die Gemeinschaft. Gegenüber diesen Tendenzen ein Zeichen zu setzen und junge Menschen für demokratische Prozesse zu sensibilisieren, ist Ziel des von nun an jährlich stattfindenden Demokratietags an der IGS: Denn die Demokratie braucht auch ihre jungen Bürger.
In diesem Sinne kam so der Jahrgang 11 in Form eines Parlaments zusammen, um dann – analog zum Bundestag – in Ausschussarbeit und Parlamentsdebatten mithilfe von Wahlen und Abstimmungen die eigenen Abiturfeierlichkeiten vorzubereiten und wichtige organisatorische Schritte auf den Weg zu bringen. Die SchülerInnen der MSS lernten so ganz praktisch, wie das Ringen um die beste Entscheidung funktioniert und gleichzeitig, wieviel Arbeit hinter den Ergebnissen eines solchen demokratischen Prozesses steckt. „Politiker werden ja meistens kritisiert. Ich finde es daher gut, dass unsere SchülerInnen auch einmal aus Perspektive der politisch Verantwortlichen erleben, dass es gar nicht so einfach ist, bei vielen unterschiedlichen Meinungen und Interessen auf ein gemeinsames Ergebnis zu kommen, mit dem alle leben können. Schon die Entscheidung für ein gemeinsames Abi-Motto ist nämlich gar nicht so leicht“, bilanzierte die betreuende Lehrkraft Frau Metzler.
Demokratische Werte sind aber immer auch eng mit der Idee der Verantwortung gegenüber allen Menschen, auch anderer Staaten wie z.B. in Afrika, verbunden. Jahrgangsstufe 12 hatte bereits vor den Ferien in einem Vortrag eine Schule im Massaigebiet kennengelernt. Im Sinne der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, in die der Leistungskurs Erdkunde 12 einführte, entwickelten die Schüler:innen nun verschiedene Projekte, um Geld für diese Schule zu sammeln. Somit soll im Sinne der Chancengleichheit den Kindern aus einem der ärmsten Gebiete der Welt eine bessere Schulbildung ermöglicht werden.
Auch in der Mittelstufe wurde ein vielfältiges Programm umgesetzt: Während die jüngsten Schüler:innen aus Jahrgang 5 vom Internationalen Bund in Empowerment und Gruppenprozessen geschult wurden, bzw. nach eigner Aussage “den ganzen Tag voll coole Spiele gespielt hatten”, führten die Sechstklässer:innen unter Anleitung ihrer Tutoren:innen das eigens für diesen Tag vom Sozialkundelehrer Herrn Theobald entwickelte Planspiel “Dorfgründung” durch. Die Klassen siedelten sich in einem fiktiven abgelegenen Dorf an und mussten dort gemeinsam Strukturen entwickeln, um das gemeinschaftliche Leben zu organisieren. Im Laufe des Tages zeigte sich immer wieder, dass dies kein leichtes Unterfangen war. Denn mit welcher Begründung lassen sich die Häuser im Dorf fair und gerecht verteilen? Wie soll die Wasserleitung verlaufen und wie die Müllentsorgung organisiert werden? Die Schüler:innen debattierten diese und andere Fragen und waren mit viel Engagement dabei.
In Jahrgang 7 war das Nachhaltigkeitsnetzwerk Elan aus Mainz zu Gast und führte unterschiedliche Workshops zu den Themen Ernährung und Handy durch. Besonders beliebt war das aktuelle Planspiel “Die fairen Spiele von Caplan”, das die große Sporthalle mit Leben erfüllte. Ruhiger, aber nicht weniger spannend, ging es dagegen in Jahrgang 8 zu, in dem die Schüler:innen sich mit dem wichtigen und aktuellen Thema Fake News auseinandersetzten. Die Einführung ins Thema übernahm Herr Nettelman, der als Mitarbeiter des SWR aus der Praxis von diesem Problem berichten konnte und die Jugendlichen für den Umgang mit falschen Informationen im Netz sensibilisierte.
Den “weitesten” Weg an diesem ersten Demokratietag legte die Jahrgangsstufe 9 zurück, die sich bei der Fritjof-Nansen-Stiftung in Ingelheim versammelte und in Schulungen und Vorträgen zum Thema Rechtsextremismus aufgeklärt wurde. Die Kosten für diesen Ausflug übernahm freundlicherweise der Förderverein der IGS Gerhard Ertl und ermöglichte den Schüler:innen so einen lehrreichen Tag in Ingelheim.
Die Jahrgangsstufe 10 führte unter Anleitung ihrer Tutoren:innen das Planspiel “Weltmacht Hunger” durch und „bereiste“ in diesem Rahmen auch die ganze Welt. Angelehnt an reale Besitzverhältnisse erlebten die Schüler:innen hautnah, wie schwierig es für weniger privilegierte Menschen in ärmeren Teilen der Welt ist, ihr Leben zu gestalten - während dagegen der reich geborene Amerikaner John Smith im Laufe des Spiels fast automatisch immer wohlhabender wurde und die erste Spielrunde automatisch gewann. Im zweiten Abschnitt versuchten die Gruppen dann mit Hilfe von Kooperationsspielen gemeinsam zum Ziel zu kommen.
Insgesamt blickten sowohl Schüler:innen, Lehrer:innen und Referent:innen zufrieden auf den ersten und erfolgreichen Demokratietag zurück. Frau Diehl-Knieriemen, die mit einem Team aus weiteren Lehrkräften den Demokratietag organisierte, zog ein positives Fazit: „Als Schule gegen Rassismus und für Courage ist es uns ein besonderes Anliegen, demokratische Kompetenzen zu schulen. Wir tun das an unserer Schule schon immer auch im Unterrichtsalltag und im Umgang miteinander. Dass wir uns mit dem Demokratietag der Politikverdrossenheit an so einem Tag aber auch noch einmal als Schulgemeinschaft entschieden entgegenstellen, finde ich wichtig und freut mich!“
Hintergrund: Der Demokratietag ist Teil des Programms "Demokratie macht Schule: Rheinland-Pfalz stärkt Demokratiebildung, Erinnerungskultur und europäisches Miteinander", welches die Bildungsministerin Stefanie Hubig 2019 in ihrer Regierungserklärung vorstellte. Ziel soll es sein, die Werte unseres Grundgesetzes noch stärker in der Schule erlebbar zu machen und die Demokratie zu stärken. Der Politischen Bildung wurde daher bereits in den Lehrplänen mehr Raum gegeben und verschiedene Anlässe, um Erinnerungskultur und Demokratie zu fördern, geschaffen. Im neuen Lehrplan für die Fächer Gesellschaftslehre und Sozialkunde ist der Demokratietag verpflichtend verankert.