von B. London und K.Diehl-Knieriemen
Normalerweise ist der Schulhof der IGS Gerhard Ertl erfüllt vom Stimmengewirr von knapp 800 SchülerInnen, die entsprechend laut die diversen Spielgeräte beturnen und sich austauschen. Am Donnerstag, den 13. Juli empfing die Besucher eine ganz andere Stimmung: Leise erklang eine wunderschöne Instrumentalversion von John Lennons ewig wahrer Utopie Imagine über dem sonst so lauten Schulhof. Nur noch wenige von der Einschulungsfeier übriggebliebene Fünftklässer kletterten zum letzten Mal auf die Kletterspinne, bevor sie sich auf den Heimweg machten. Stattdessen tummelten sich vorwiegend ältere SchülerInnen, Lehrkräfte und Eltern auf dem Schulhof, genossen eine leichte Brise unter dem von Schäfchenwolken bevölkerten Himmel und tranken alkoholfeien Sekt. Der DS-Kurs der Stufe 12 unter der Leitung von Sandra Öppling hatte zur Premiere des Stücks “In welcher Gesellschaft wollen wir leben?” geladen. Kleine Buttons, die die Besucher am Eingang erhielten, gaben erste Hinweise auf die Utopien; die den SchülerInnen wichtig waren: Eine Welt voller Nächstenliebe und ohne Mobbing, Rassismus und Gewalt.
Um 19:20 ging es dann los mit einer leider alltäglichen Szene zum Thema: Helft Euren Mitmenschen. Zwei Bettler unterhalten sich über ihre trüben Aussichten an einem heißen Tag in der Stadt und müssen sich von einem snobistischen Pärchen anraunzen und auslachen lassen. Eindrucksvoll zeigten die Schülerinnen im Anschluss, wie es auch gehen könnte: Das reiche Paar lädt das arme einfach in den Supermarkt zu Sandwiches und ausreichend Wasser ein. Eigentlich sollte ein solches Verhalten keine Utopie mehr sein, sondern Normalität.
Die Darstellerinnen waren alle in schwarz gekleidet und zeigten an verschiedensten Orten auf dem ganzen Schulhof eine breite Palette von Ungerechtigkeiten und Unstimmigkeiten, die sie in unserer Gesellschaft wahrnehmen. Es ging um Alltagrassismus, Mobbing, Gewalt in Beziehungen, Chancengleichheit in Beruf und in der Liebe und Gewalt gegen Einsatzkräfte. In kleinen Szenen wurden die Missstände angeprangert, aber auch immer wieder gezeigt, wie wir uns eigentlich verhalten sollten. Das Publikum wurde von den Darstellern zum Mitkommen und Mitmachen aufgefordert und sollte auf dem Weg immer wieder in die Rufe nach einer gerechten Gesellschaft einstimmen. Episches Theater also, das die Zuschauer mitnimmt, aufrüttelt und selbst zu Demonstranten macht, die im Idealfall gesellschaftliche und politische Veränderungen in Gang setzen, wie es sich Berthold Brecht nicht besser hätte erträumen können. Auch die Darsteller fielen – ganz im Sinne Brechts - öfter aus ihrer Rolle, sie fühlten sich nicht in diese ein, sondern spielten sie nur.
Nach einer knappen Stunde endete das Stück dann vor einer Plakatwand, an der die Zuschauer ihre Wünsche und ihre Zukunftshoffnungen eintragen konnten. Das Publikum zeigte sich begeistert und spendete minutenlang frenetischen Beifall. Ein gelungener Abend also!